Im Februar 1919

haben die Frauen erstmals von dem ihnen neu zugestandenen Recht Gebrauch gemacht und wurden 8 Frauen ins Parlament gewählt (7 Sozialdemokratinnen und eine Christlich-Soziale). Das Frauenwahlrecht war – mit Ausnahme der Jahre der Diktaturen von 1934-1945 – der Beginn einer langen Abfolge sozialer Reformen zugunsten von Frauen, die in den Jahren der sozialistischen Alleinregierung unter Bruno Kreisky mit der Etablierung eines Frauenstaatssekretariats ihren Höhepunkt erreichten und beachtliche Erfolge verzeichnete, u.a. wurden das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und die Reform des Familienrechts durchgesetzt. Nach der sozialistischen Alleinregierung musste Gesetzgebung zugunsten von Frauen oftmals der großkoalitionären Räson weichen, während heute, wie schon unter Blau-Schwarz I, ganz klar von Rückschritten zu sprechen ist. Nicht nur werden die Ausgaben für Frauenprojekte gekürzt, wird Gewaltschutz vernachlässigt und werden rassistische Argumente ins Treffen geführt, um migrantische Männer als größte Bedrohung für die Sicherheit von Frauen hinzustellen. Auch gibt es keine wirksame Gesetzgebung gegen die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern – in der EU hat Österreich noch immer den weitesten Gender Pay Gap nach Estland, Tschechien, Deutschland und dem Vereinten Königreich –, die notwendigen Maßnahmen gegen die Altersarmut von Frauen bleiben aus und Frauen leisten noch immer den Großteil der unbezahlten Arbeit.

Das zeigt deutlich, dass in der bürgerlichen Demokratie des 21. Jahrhunderts nicht nur die Errungenschaften des Sozialstaats auf der Strecke bleiben, sondern, durchaus damit in Verbindung stehend, auch die Frauenrechte. Deshalb darf kein Beitrag zum Frauenwahlrecht ohne den Verweis auf Rosa Luxemburg und ihre Kritik am vor 100 Jahren etablierten Parlamentarismus auskommen. Mit ihrer Einschätzung, die letztlich darauf hinausläuft, dass Frauenrechte nur in einer sozialistischen Räterepublik nachhaltig gesichert werden können, ist sie nämlich durchaus zukunftsweisend.

Im Dezember 1918,

knapp zwei Monate vor ihrer Ermordung, schreibt sie: „Auch der Parlamentarismus war eine Arena des Klassenkampfes für das Proletariat, solange der ruhige Alltag der bürgerlichen Gesellschaft dauerte: Er war die Tribüne, von der aus die Massen um die Fahne des Sozialismus gesammelt, für den Kampf geschult werden konnten. Heute stehen wir mitten in der proletarischen Revolution, und es gilt heute, an den Baum der kapitalistischen Ausbeutung selbst die Axt zu legen. Der bürgerliche Parlamentarismus hat, wie die bürgerliche Klassenherrschaft, deren vornehmstes politisches Ziel er ist, sein Daseinsrecht verwirkt. Jetzt tritt der Klassenkampf in seiner unverhüllten, nackten Gestalt in die Schranken. Kapital und Arbeit haben sich nichts mehr zu sagen, sie haben einander nur mit eiserner Umarmung zu packen und im Endkampf zu entscheiden, wer zu Boden geworfen wird.“ (Aus: Nationalversammlung oder Räteregierung, Dezember 1918)

Kein Zweifel, dem Parlamentarismus und der bürgerlichen Demokratie, die die Klassengesellschaft verwaltet, haben wir vieles zu verdanken, auch die Frauenrechte in der uns bekannten Form. Aber diese gewonnenen Rechte und die sozialstaatlichen Errungenschaften sind erkauft mit dem Elend derjenigen, die anderswo auf diesem Globus die Grundlage für den Reichtum schaffen, der in unseren Breitengraden auch der arbeitenden Bevölkerung zugutekommt.

Und noch etwas lehrt uns die Geschichte: Die bürgerliche Demokratie hält nur so lange faschistischen und militaristischen Bestrebungen stand, solange innerhalb ihres Rahmens die Widersprüche der Klassenherrschaft gelöst werden können. Ist dies nicht mehr der Fall, wird sie weggefegt wie eine lästige Fliege.