aus: Frauen.Freiheit.Frieden, Seite 160-162, Brigitte Schuchard

Auguste Christine Louise Zimmermann wurde in Asbach bei Neuwied im Rheinland geboren.
Sie erhielt durch ihre Eltern eine freie und differenzierte Erziehung, denn im Elternhaus, vor allem beim freidenkenden Vater (Justizrat), herrschte ein Klima aufgeschlossenen Denkens, das Konventionen und Traditionen in Frage stellte. Nach der für „höhere Töchter“ üblichen Bildung heiratete Auguste mit 21 Jahren den Juristen und späteren Bremer Senator Gerhard Heinrich Kirchhoff (1854-1929), mit dem sie nach Bremen zog. Während der Ausbildung und Arbeit als Gesangslehrerin und Konzertsängerin bekam sie zwischen 1889 und 1905 drei Töchter und zwei Söhne. Sie und ihr ebenfalls musikbegeisterter Mann führten ein offenes, geselliges Haus in Bremen.
Auguste Kirchhoff sah nicht über die große Not und die Unterdrückung von Frauen in rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht hinweg, sondern entwickelte aus ihrer Anteilnahme ihren persönlichen Kampf für politische Rechte und eine gerechtere Verteilung des Besitzes, für Bildung und Teilnahme am
gesellschaftlichen und politischen Leben. Ihre verschiedenen Begabungen — sie arbeitete als Künstlerin, Lehrerin, Sozialarbeiterin, Journalistin, Rednerin — setzte sie für den Frieden ein. Sie interessierte sich sehr früh für die Geschichte der Frauenbewegung und für die Frauenvereine.
In den 1890er Jahren hatte sich innerhalb des BDF (Bund Deutscher Frauenvereine, seit 1894 der Dachverband für viele Frauenvereine) eine kleine Anzahl von radikalen Feministinnen zusammengeschlossen, die sich neben dem Kampf um das Frauenstimmrecht, besonders den Ausbildungsmöglichkeiten von Frauen,
der Situation der Prostituierten und der ledigen Mütter und den Fragen der Sexualmoral widmeten.
Auguste Kirchhoff trug ihr ganzes Leben in nationaler und internationaler Arbeit die Ideen und Ziele dieses radikalen Flügels der Frauenbewegung mit, was ihr von einem Teil der Bremer Gesellschaft Missbilligung und Ärger einbrachte. 1906 gründete sie als Vorsitzende des eher karitativen Vereins Mütter- und Säuglingsheim ein Haus für Mütter und Kinder vor und nach der Geburt. Sie wollte aber nicht nur ein karitatives Haus einrichten, sondern sich für politischrechtliche und soziale Reformen einsetzen. Im Bund für Mutterschutz und Sexualreform (1905 durch Helene Stöcker gegründet) fand sie ihre
Vorstellungen vertreten und baute eine eigene Ortsgruppe in Bremen auf. Auch das Bekenntnis zum Pazifismus, der für sie ein selbstverständlicher Lebenswert war, erschien früh in den Richtlinien des Bundes.

Als der Bund sich nach dem Krieg stark mit den Idealen der sogenannten Rassenhygiene identifizierte, distanziert sie sich aber sehr deutlich.
Schon 1905 war Auguste Kirchhoff Mitgründerin der Bremer Gruppe des Deutschen Vereins für Frauenstimmrecht142 und bis 1907 im Vorstand. 1913 bei der Spaltung in einen konservativen und radikalen Flügel entschied sie sich mit Anita Augspurg, Lida G. Heymann für den radikalen Flügel. Sie unterschied
sich von vielen bürgerlichen Frauen im Stimmrechtsverein, da sie es als Pflicht der gebildeten, besitzenden Frau betrachtete, auch für die Rechte der proletarischen Frauen und der sozialdemokratischen Frauen einzutreten. Zu ihrem Kampf in der linken Stimmrechtsbewegung und zu ihrem Engagement für
Mutterschutz und Sexualreform trat sie mit Beginn des Ersten Weltkrieges radikal für Frieden und gegen Krieg ein. Die Mehrheit im BDF war sehr schnell ins „patriotische“ Lager der Kriegführenden geschwenkt und unterstützte den Militarismus. Auguste Kirchhoff aber nahm auf Einladung der amerikanischen Frauenrechtlerin und Sozialreformerin Jane Addams am ersten Internationalen Frauen-Kongress für Frieden in Den Haag teil; sie gehörte zu den 28 deutschen Frauen, denen es unter größten Schwierigkeiten von staatlicher Seite und trotz der Häme und Verunglimpfungen in bürgerlichpatriotischen Kreisen gelungen war, während des Krieges die Grenzen zu überschreiten und auf dem Kongress mit über 1000 Frauen aus 12 Ländern ihre pazifistischen Forderungen zu
formulieren und anschließend international zu verbreiten.
Nach dem Krieg gründeten die Frauen auf dem 2. Internationalen Frauen-Kongress in Zürich (12.-19. Mai 1919) die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit — zu spät, um bei den Versailler Friedensverhandlungen Einfluss nehmen zu können. Auguste Kirchhoff war auch dabei, als schon einen Monat später,
am 11./12. Juni 1919 sich die deutschen Frauen in Frankfurt versammelten, um den deutschen Zweig der IFFF zu gründen. Trotz Anfeindungen durch rechtsradikale und militaristische Strömungen gehörte sie zu den sieben Beauftragten der IFFF. Sie leitete die Bremer Gruppe in den 20er Jahren bis zu ihrer schweren Erkrankung. In dieser Zeit war sie auch Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft. Sie engagierte sich für die Möglichkeit der  Kriegsdienstverweigerung, die Aussöhnung mit Polen, Dänemark und Frankreich. Ihre Versammlungen in Bremen wurden von Anbeginn von der Polizei bewacht und kontrolliert und verächtlich gemacht als „Pazifisten-Versammlungen“. Kennzeichnend für Auguste Kirchhoff war, dass sie innerhalb der bürgerlichen IFFF vor allem gegen das bestehende politische System kämpfte, da in ihren Augen die Ideale von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit „nicht
gedeihen können auf dem Boden des Kapitalismus“. Nicht für Gleichheit, sondern für die Gleichwertigkeit der Frau in der Gesellschaft plädierte sie, „dazu gehört eine andere Einstellung zu den Dingen, ein anderes Wirtschaftssystem und eine andere Weltordnung als die heutige auf Profit und Gewalt  eingestellte“.
Auguste Kirchhoff wies in Vorträgen und Schriften schon seit 1924 auf die Gefahren der von der IFFF geächteten Giftgas-Kampfstoffe hin; sie sah von Anfang an die Gefährlichkeit der Vorbereitungen für den Einsatz von Giftgas im Krieg. Der persönliche Schock durch den Tod ihres Mannes im Dezember 1929 schränkte ihre kämpferische Kraft zwar ein, trotzdem solidarisierte sie sich vor dem Sieg der NS als Vorsitzende der IFFF-Kommission zur Bekämpfung des Antisemitismus mit den jüdischen Mitbürgern und schrieb sehr scharf und kompromisslos gegen den Naziterror. Ihre Angriffe gegen Hitler und den Faschismus erklären die Angst ihrer Kinder, vor allem der Tochter in Bremen, um das Leben der Mutter.
1933, als die Vereine, in denen sie tätig war, aufgelöst wurden und die Gefahr einer Verhaftung besonders groß war, war Auguste Kirchhoff schon seit Monaten sehr krank; sie wurde von schweren Depressionen gequält und hatte vermutlich einen Schlaganfall erlitten.
Die Monate vor der NS-Machtergreifung verbrachte sie in einer psychiatrischen Klinik. Von April 1933 an verbrachte sie unglückliche Jahre in ihrem Haus in Bremen, mit mehreren Suizidversuchen. Sie konnte kaum mehr arbeiten oder selbstständig leben, brauchte ständig eine Krankenschwester an ihrer Seite. Notgedrungen blieb ihr nur der Rückzug ins Private. Am 12. Juli 1940 starb sie — von der Öffentlichkeit unbeachtet.
Die Tochter hatte 1933 erstaunlicherweise eine Hausdurchsuchung durch die Nazis verhindern können, hat aber dafür einen großen Teil der Schriften und Unterlagen zu den Vereinen, darunter diejenigen der IFFF, vernichtet. Während einige Frauen der alten Frauenbewegung wie Augspurg, Heymann, Minna
Cauer oder Helene Stöcker nach 1969 wieder in das Bewusstsein der neuen Emanzipationsbestrebungen kamen, blieb Auguste Kirchhoff weiterhin unbekannt, obwohl sie mit diesen Frauen ihr ganzes Leben in der Frauenstimmrechtsbewegung, im Bund für Mutterschutz und Sexualreform und in der IFFF eine führende
Rolle gespielt hatte. Erst die Enkel-Generation entdeckte in den 1990er Jahren ihr Werk und Wirken wieder. In Bremen ist nahe ihrem ehemaligen Wohnhaus eine kleine Straße nach ihr benannt. „Der Kampf wurde zum bestimmenden Element in ihrem Leben: Der Kampf als emanzipierte Frau für die Emanzipation aller Frauen, als privilegierte Frau für die Rechte aller benachteiligten Frauen, vor allem der ledigen Mütter und ihrer verachteten Kinder, als Pazifistin für Frieden und Freiheit, als Demokratin gegen den aufkommenden Nationalsozialismus, gegen Imperialismus, Rassismus und Antisemitismus.“